Prozess
Materialausnutzung
Endkonturnahe Fertigung
Verkürzung der Prozesszeit
Einsparung von Fertigungsschritten
Trends
Für die Herstellung metallischer Bauteile können vielfältige Bearbeitungsprozesse und Prozessketten angewendet werden. Fließpressprozesse können mit den Fertigungsverfahren Spanen, Abtragen, Gießen, Schmieden und Sintern konkurrieren. Beim Vergleich zwischen Spanen und Umformen sprechen häufig Kriterien wie Werkstoffeinsparung, Verkürzung der Fertigungszeit und günstigere Festigkeitseigenschaften der Werkstücke für das Umformen.
Während des Kaltmassivumformprozesses wird die Form eines in der Regel geometrisch einfachen Halbzeuges (Draht oder Stab) in eine produktspezifische Zwischen- oder Endgeometrie gebracht. Bei konventionellen Metallen bleibt dabei das Volumen erhalten. In optimierten Prozessen kann das gesamte Volumen des Halbzeugs vollständig für das Produkt genutzt werden. Daher zeichnen sich Prozesse der Kaltmassivumformung in der Regel durch eine ausgezeichnete Materialausnutzung aus. Dies macht sie insbesondere bei mittleren und hohen Stückzahlen im Vergleich zu trennenden Verfahren wirtschaftlich sehr attraktiv.
Als ein Beispiel für die Werkstoffeinsparung beim Fließpressen im Vergleich zum Drehen soll ein Kegelradrohling dienen (Abbildung 10). Die Rohteilabmessung beim Drehen wird vom größten Außendurchmesser des Fertigteils bestimmt. Beim Herstellen der Außenkontur und der Bohrung wird ein Werkstoffvolumen von bis zu 56% zerspant. Durch das Fließpressen hingegen kann so endkonturnah umgeformt werden, dass lediglich ein Zerspanungsvolumen von etwa 1% anfällt.
Abbildung 10: Vergleich der Einsatzgewichte (Massen) für ein Kegelrad nach [Klo06]
Die Steigerung der Präzision von Umformteilen in Bezug auf Form-, Lage und Maßgenauigkeit sowie die Verbesserung der Oberflächengüte haben zur Folge, dass immer mehr Funktionselemente oder komplette Werkstücke ohne oder mit nur geringer Nachbearbeitung einbaufertig sind. In der Kaltmassivumformung wird die Fertigung von „near net shape“-Teilen angestrebt. Der Begriff „near net shape“ kennzeichnet Werkstücke, die sich nach dem Erzeugen durch Ur- oder Umformprozesse nur noch wenig von der gebrauchsfertigen Endkontur unterscheiden. Dabei wird angestrebt, die spanende Formgebung in einer Aufspannung oder in einem einzigen Schritt durchzuführen. Eine Bearbeitungszugabe von 1 bis 1,5 mm gilt heute vielfach schon als obere Grenze.
Weiterhin bietet das Fließpressen in der Regel kürzere Prozesszeiten und somit einen höheren Teileausstoß. Dieser beträgt zum Beispiel bei der umformtechnischen Herstellung von Zündkörpern bis zu 60 Teile pro Minute
und ist somit etwa zehnmal so hoch wie bei der Herstellung auf Drehautomaten mittels Zerspanung.
Die Werkstoffeinsparungen und die kurzen Fertigungszeiten können bei einer Prozessumstellung zu einer Halbierung der Fertigungskosten führen.
Die hohe erreichbare Präzision kann unmittelbar zur Einsparung von Fertigungsschritten genutzt werden.
Das früher notwendige Überdrehen vor dem Einsatzhärten entfällt. Die Teile werden direkt nach dem Umformen gehärtet und dann nur noch zerspant [NN87].
Reduzierte Aufmaße an Rohteilen ermöglichen zunehmend die Fertigbearbeitung in einem Schritt. Abhängig vom Werkstoff, von der Stückmasse und von der Art der Fertigungseinrichtung ergeben sich unterschiedliche Mindeststückzahlen für die wirtschaftliche Fertigung von Fließpressteilen. Die angegebenen Zahlen (siehe Tabelle 3) gelten für Stahlteile und für komplizierte Teile aus NE-Metallen. Sie sind als Anhaltswerte zu verstehen.
Bei einfachen Teilen liegen die wirtschaftlichen Stückzahlen niedriger, weil die Werkzeuge preiswerter sind. Darüber hinaus ist der Werkzeugverschleiß geringer, so dass höhere Standmengen erreicht werden als bei geometrisch komplexen Teilen [Klo06].
Stückgewicht (Masse in g) | minimale Losgröße (Stück) | Stückgewicht (Masse in kg) | minimale Losgröße (Stück) |
kleiner 10 g | 200.000 | 1 - 3 kg | 5.000 |
10 - 100 g | 100.000 | 3 - 5 kg | 2.000 |
100 - 250 g | 50.000 | 5 - 10 kg | 1.000 |
250 - 500 g | 25.000 | > 10 kg | 500 |
500 - 1.000 g | 10.000 |
Tabelle 3: Stückgewicht und minimale Losgrößen [Klo06]
[Klo06] KLOCKE, Fritz ; KÖNIG, Wilfried: Fertigungsverfahren.
Berlin: 5., neu bearb. Aufl. Aufl. Springer, 2006.
[VDI99] VDI 3138-2: Kaltmassivumformen von Stählen
– Anwendung, Arbeitsbeispiele, Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für das
Kaltfließpressen. Verein Deutscher Ingenieure März 1998
[NN87] NN: Fertigungsprozess mit neuen Leistungs- und Anwendungsbereichen.
Produktionstechnik: Auf dem Weg zu integrierten Systemen.
In: AWK, Aachener Werkzeugmaschinenkolloquiu. VDI Verlag, 1987, S. 301-348